Pascal Schumacher, Vibraphon
Minimal Vibes für großes Orchester
Schwingende Klangplatten mit Gruseleffekt: Das Vibraphon, konstruiert in den 1920er Jahren, verfügt über ein Pedal, das den Klang lang und warm macht, sowie einen kleinen Motor als akustischem Trick, der ihn vibrieren lässt und dem Instrument seinen Namen gibt. So kann das Vibraphon lyrisch, avantgardistisch aber auch gruselig klingen. Das haben Filmkomponisten früh erkannt und es gern für spannende Szenen eingesetzt. Das WKO widmet nun dem »Underdog« der Instrumente sein 10. Abo-Konzert und mehr noch, es bringt gemeinsam mit dem preisgekrönten luxemburgischen Vibraphonisten und musikalischen Grenzgänger Pascal Schumacher ein Konzert zur deutschen Erstaufführung, das dem Solisten von dem amerikanischen Komponisten Judd Greenstein auf den Leib geschrieben wurde. Greensteins Musiksprache erreicht ihr Publikum als Geschichte, in der der Kontrast zwischen den getriebenen, konkurrierenden Pulsschlägen der New Yorker Straßen seiner Kindheit und der Friedlichkeit seiner jetzigen ländlichen Wahlheimat eine entscheidende Rolle spielt. Sein Werk ist als »wunderschön und gleichzeitig nachdenklich machend« bezeichnet worden. Umrahmt wird diese gerade erst entstandene Musik von einer Konzertouvertüre der vollkommen zu Unrecht vergessenen französischen Komponistin, Pianistin und Musikwissenschaftlerin Louise Farrenc und der klanggewaltigen 2. Sinfonie von Johannes Brahms — dem zweiten Teil des Sinfonien — Zyklus von Johannes Brahms. Ein toller Saisonabschluss mit sommerlich-sphärischen Klängen!
Pascal Schumacher, Vibraphon
Risto Joost, Leitung
LOUISE FARRENC
Ouvertüre Nr. 2 Es-Dur op. 24
JUDD GREENSTEIN
»Watershed«
für Vibraphon und Orchester (dt. Erstaufführung)
Commissioned by Luxembourg Philharmonic & Philharmonie Luxembourg, Dallas Symphony Orchestra and Württembergisches Kammerorchester Heilbronn.
JOHANNES BRAHMS
Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73
ABO-KONZERT HEILBRONN # 10
DO 18.06.26 | 19.30 Uhr
Heilbronn, Harmonie
Einführung 18.50 Uhr
VVK-Start: 01.07.25
ABO-KONZERT ULM # 5
FR 19.06.26 | 19.30 Uhr
Ulm, Kornhaus
Einführung 19 Uhr
VVK-Start: 01.07.25
Judd Greenstein zu »Watershed«
»Flüsse erscheinen unserem menschlichen Auge unveränderlich und zeitlos, ebenso wie die Berge und Hügel, die sie umgeben. Doch während Berge sich über zig Millionen Jahre erheben und wieder abtragen, verändern sich Flüsse ständig und können bei einem Hochwasser oder Sturm ihre Lage dramatisch und beinahe augenblicklich verändern. Tatsächlich sind es oft nur von Menschen geschaffene Begrenzungen, die viele Flüsse überhaupt an ihrem festen Platz halten – und selbst das reicht nicht aus, um die wildesten unter ihnen zu bändigen. Wie Flüsse und die sie speisenden Wassersysteme, die zusammen als Wassereinzugsgebiete bekannt sind, erscheinen auch unsere politischen und gesellschaftlichen Organisationssysteme einen Moment lang beständig und zeitlos, im nächsten jedoch unbeständig und wandelbar. Diese metaphorischen Wasserscheiden der menschlichen Gesellschaft sind ebenso komplex und voneinander abhängig wie die natürlichen. In diesem historischen Moment, in dem sich die demokratischen Systeme meines eigenen Heimatlandes als weniger beständig erweisen, als wir je hätten voraussehen können, erforscht mein neues Werk für Vibraphon und Orchester, »Watershed«, unsere Position als Menschen in Zeiten radikaler systemischer Veränderungen. In Auftrag gegeben von einem multinationalen Konsortium unter der Leitung des Philharmonischen Orchesters Luxemburg, ist das Stück in drei Sätze gegliedert, die die scheinbare Beständigkeit, die Menschen Flüssen zuschreiben (I. Die scheinbare Beständigkeit der Flüsse), die ständige Umformung der Flüsse und der sie umgebenden Landschaft (II. Der Fluss nimmt, der Fluss gibt) sowie die Unaufhaltsamkeit des Wasserflusses, unterbrochen von plötzlichen, gewaltsamen Veränderungen (III. Das Wasser findet einen Weg), thematisieren. »Watershed« ist zugleich ein Showcase für den wunderbaren Vibraphonisten Pascal Schumacher, der mich 2022 erstmals ansprach, ein Konzert zu schreiben – zu einer Zeit, als die Aussicht auf einen amerikanischen Faschismus zwar drohend, aber noch nicht Realität war. Während meines gesamten Schreibprozesses, von 2022 bis zur Vollendung des Werks im Jahr 2025, bildeten die Umbrüche in der amerikanischen Politik – vom »scheinbaren Bestand« hin zu radikalem Wandel – den Hintergrund. Und doch ist in „Watershed“ die kraftvolle und optimistische Idee verankert – von der Natur entlehnt –, dass Flüsse so schnell, wie sie sich in eine Richtung verändern, auch umkehren können, und das mit noch größerer Kraft. Diese Vorstellung hat es mir ermöglicht, das Werk zu vollenden und mich aus der Verzweiflung herauszuarbeiten. Es ist mein aufrichtiger Wunsch, dass »Watershed« auch anderen ein Gefühl von Stärke und Hoffnung vermitteln kann. In diesem Sinne widme ich dieses Werk der pro-demokratischen und antifaschistischen Bewegung in den USA und weltweit.«
Pascal Schumacher
Der Luxemburger Pascal Schumacher gehört zweifellos zu den vielseitigsten Musikern seiner Generation. Als Vibrafonist, Komponist, Bandleader oder Klangregisseur entwickelt er seine immer authentischen Gesamtkunstwerke aus sehr unterschiedlichen musikalischen Einflüssen. Pascal Schumacher studierte Schlagzeug, Vibrafon und Musikwissenschaften an den Universitäten Luxemburg, Straßburg, Brüssel und Den Haag. Er schloss sein Studium mit einem Master in Musikwissenschaften an der Straßburger Marc-Bloch-Universität sowie einem Master in Jazz-Vibrafon am Koninklijk Conservatorium in Den Haag ab. Pascal ist vielfach ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem belgischen Django d’Or, Music:LX, ECHO Jazz, und JTI Trier Jazz. Er verschmilzt emotionale klassische Musik mit minimalistischen elektronischen Klängen zu etwas, das als moderne Klassik bezeichnet wird. Für Schumacher ist die Musik ein einziger grenzenloser Spielplatz. 2018 markierte einen Neuanfang für Pascal Schumacher, der auf Einladung zum Jazz & The City Festival in Salzburg begann, sein eigenes Solomaterial zu entwickeln. Diese Erfahrung eröffnete dem Komponisten einen völlig neuen Weg, der in seinem Debüt- Soloalbum SOL gipfelte, das er 2020 unter Neue Meister veröffentlichte. Zwei Jahre später folgte sein zweites Soloalbum LUNA. 2024 begann Pascal Schumacher sein neues Projekt GLASS I-III, rund um Werke von Philip Glass, arrangiert von Schumacher selbst und ergänzt durch eigene Werke.