Kammermusik: »Musica Serena«
»Serenade«, »Cassation«, »Notturno« und »Divertimento« gehören zu ein- und derselben Musik-gattung, welche sich nicht über eine bestimmte Besetzung oder Form definiert, sondern einzig über den Verwendungszweck der Musik als abendliche Unterhaltungsmusik, meist heiter und gefällig, und häufig für die Aufführung im Freien bestimmt.
Bei Josef Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart beobachten wir aber, dass diese als Gebrauchsmusik verschlissene Gattung auch künstlerisch an Wert gewinnt: Mozarts Serenaden sind nicht nur technisch anspruchsvoll und haben oft ein integriertes Solokonzert im Gepäck, sondern sind auch stilbildend für andere Kompositionen: Man spricht dann vom »Serenadenstil« oder - in der Kammermusik - vom »Divertimento-Stil«.
Letzterem ist das heutige Kammerkonzert gewidmet: In seiner kompaktesten Form benötigt er nur drei Spieler: Eine Melodie, einen Bass und eine Harmonie-Mittelstimme, welche in arttypischen Akkordbrechungen den vierstimmigen Satz und zusätzlich die Rhythmusgruppe ersetzt. Im Wien des 18. Jahrhunderts fanden sich solche Ensembles weniger im höfischen Bereich, als vielmehr in den Schänken der Vorstädte. Später übernahmen Zigeunerkapellen dieses Muster der Unterhaltungsmusik in ihren Musikstil. Neben Streichtrios im »Divertimentostil« gibt es aber auch solche, die durch eine Reduzierung des Streichquartetts auf drei Stimmen entstehen. Dem Komponisten bietet sich also eine große Auswahl an Kombinationsmöglichkeiten dieser beiden, grundverschiedenen Satztechniken.
Ludwig van Beethoven nennt sein 1797 entstandenes Trio ganz bewusst »Serenade« im Gegensatz zu den gleichzeitig entstandenen drei Streichtrios op. 9, welche eigentlich Streichquartette in einer satztechnisch meisterlich reduzierten Form sind. In seiner Serenade spielt er ganz bewusst mit den Mustern aus Quartett- und Divertimentostil, und kann sich zudem frei entscheiden zwischen Viersätzigkeit und Suitenform: Die klassische Trennung der Gattungen beginnt zu verschwimmen, und so schafft es auch ein »Marsch« in ein äußerlich seriöses Kammermusikwerk.
Als Ernő Dohnànyi 1903 seine Serenade schreibt, sind konventionelle Formprinzipien längst Ge-schichte. Um so mehr bezieht er sich auf Beethoven und seine Serenade op. 8, und schafft mit sei-nem op.10 eines der bedeutendsten Streichtrios überhaupt: Ein Geniestreich jenes 26-jährigen Ungarn, der sich - als Achtzehnjähriger noch von Johannes Brahms gefördert - seinen Platz sucht in der postromantischen Epoche.
Aber die Serenade ist nicht nur formal eine Meisterleistung, sondern demonstriert in seiner überwältigenden Heiterkeit auch eine Schaffenskraft und lebensbejahende Haltung, wie sie im »Fin de Siècle« nur selten zu finden ist.
Ein Streichtrio-Programm kann schwerlich ohne ein Werk Joseph Haydns auskommen: Der Hofkapellmeister der Fürsten von Esterházy schrieb ihrer mindestens 150, meist in der ungewöhnlichen Besetzung für Baryton, Viola und Violoncello, denn Fürst Nikolaus von Esterházy spielte das »Baryton«, ein inzwischen nahezu ausgestorbenes Tenorgamben-Instrument mit 6 Spiel- und weiteren 9 Resonanzsaiten, und verlangte von seinem Kapellmeister, Musik für dieses zu schreiben. Da Esterházy kein Freund »Neuer Musik« war, leistet sich Haydn in den Werken für Baryton keine Extravaganzen (wie beispielsweise im Streichquartett), nichtsdestoweniger sind sie alle von hoher künstlerischer Qualität, was wieder einmal beweist, dass ein Joseph Haydn einfach keine schlechte Musik schreiben konnte! Das heute gespielte Trio G-Dur op. 53,1 ist im Original kein Streichtrio, sondern eine zweisätzige Klaviersonate (HOB XVI,40, 1784). Wann die historische Transkription entstand, und ob sie Haydns Zustimmung fand, ist nicht bekannt. Ins Programm passt sie dennoch, spiegelt doch auch sie den Geist der Serenadentradition wider, wie sie bei Bällen auf Schloß Esterházy gepflegt wurde.
Konstanze Felber-Faur, Violine
Lydia Bach, Viola
Patrick Burkhardt, Violoncello
Joseph Haydn
Streichtrio G-Dur op. 53,1
Ernö Dohnányi
Serenade op. 10
Ludwig van Beethoven
Serenade op. 8
KAMMERMUSIK
DI 05.05.26 | 19 Uhr
Heilbronn, Unter der Pyramide,
Kreissparkasse Heilbronn