Kammermusik: »Erde, Wasser, Feuer, Luft«
Zählen ist nicht nur beim Musizieren unumgänglich. Zählen gehört zu den ureigensten Fähigkeiten, die den Menschen vom Tier unterscheiden. Und so überrascht es nicht, dass Zahlensymbolik seit Menschengedenken zur Erklärung von Kosmos und Existenz herangezogen wird. Ist die Zahl Drei Sinnbild für das Göttliche, so dient die Zahl Vier der Beschreibung und Kategorisierung der physi-schen Welt: Die vier Elemente, die vier Jahreszeiten, die vier Himmelsrichtungen und die 4 Aggregatzustände sind Beispiele hierfür. Dennoch fehlt in diesem Modell noch ein entscheidendes Element, jenes lebenspendende, schöpferische und ästhetische, welches Aristoteles als »Äther« bezeichnete, eine masselose, unveränderliche und ewige Substanz: Die »Quintessenz«.
Von Wolfgang Amadeus Mozart wissen wir, wie schwer er sich mit der Komposition von Streichquartetten tat, er brauchte offenbar dieses »fünfte Element«, um seine kammermusikalischen Phantasien zu verwirklichen. Ähnlich erging es Johannes Brahms. Die Streichquintette der beiden Komponisten können daher mit Fug und Recht als die »Quintessenz« ihres Lebenswerks angesehen werden.
Mozarts großes g-moll-Quintett KV 516 stammt aus dem Don Giovanni-Jahr 1787 und gehört zu einer Dreiergruppe von Streichquintetten, die – ähnlich wie seine drei letzten Sinfonien aus dem Folgejahr - gewissermaßen eine »Dreieinigkeit« bilden. Zwischen dem vitalen C-Dur-Quintett und dem dramatischen c-moll-Quintett, (einer von Mozart äußerst selten gewählten Tonart!), changiert das g-moll-Quintett – ähnlich der g-moll-Sinfonie – zwischen den Charakteren, Farben und Tongeschlechtern der beiden andern und spiegelt am deutlichsten Mozarts Charakter und seine enorme Fähigkeit zu abrupten Szenenwechseln wider.
Mit dem G-Dur-Quintett op. 111 wollte Johannes Brahms 1890 sein Schaffen abschließen. Dies allein zeigt, wie wichtig dem Komponisten dieses Werk für fünf Instrumente war: Was sich in den kompakten 20 Minuten Musik abspielt, entspricht dem Inhalt einer großen Sinfonie. Und es ist gleichzeitig ein Statement gegen die immer weiter ausufernden Projekte der »Neudeutschen«, Bruckner und Mahler, eine Verknappung der Mittel, die bereits in Richtung der 2. Wiener Schule weist.
n.b.: Wie wir heute wissen, hielt sich Brahms nicht an den selbst verordneten Ruhestand, sondern steuerte seinem Oeuvre, inspiriert vom Spiel des Klarinettisten Richard Mühlfeld, noch 4 Kammermusikwerke mit Klarinette bei. Komplettiert wird das Programm durch zwei Einzelsätze für Streichquintett: Zum einen handelt es sich um Brahms’ Scherzo aus der sogenannten »F.A.E.-Sonate«, welche er als Zwanzigjähriger gemeinsam mit Robert Schumann und Albert Dietrich zu Ehren Joseph Joachims komponierte. Das Original für Violine und Klavier wird hier in einer Quintettfassung von Sándor Devich zu hören sein. Zum andern um ein nachgelassenes Quintettfragment Mozarts, welches vermutlich als Moll-Gegenstück zum C-Dur-Quintett geplant war, dann aber durch das g-moll-Quintett ersetzt wurde.
Zohar Lerner, Violine
Johannes Hehrmann, Violine
Lydia Bach, Viola
Leyla Hehrmann, Viola
Patrick Burkhardt, Violoncello
Wolfgang A. Mozart
Streichquintett g-moll KV 516
Johannes Brahms
Scherzo (aus der F-A-E-Sonate)
Wolfgang A. Mozart
Quintettsatz a-moll KV515 c
Johannes Brahms
Streichquintett G-Dur op.111
KAMMERMUSIK
DI 03.02.26 | 19 Uhr
Heilbronn, Unter der Pyramide,
Kreissparkasse Heilbronn